"Nach dem Sieg über Inter Mailand ging's ihm mal für ein paar Stunden besser. Da war eine Hirnwindung mehr durchblutet. Im Grunde ist er völlig kaputt."
Das sagte der eine Trainer, Christoph Daum, über den anderen, Jupp Heynckes, vor zweiunddreißig Jahren, als der 1. FC Köln mit dem FC Bayern München um die Deutsche Meisterschaft stritt. Am Wochenende treten beide Teams wieder einmal gegeneinander an.
Die Ausgangslage zwischen den beiden Klubs war im Mai 1989 allerdings eine völlig andere als heute. Damals forderten die Kölner die Münchener mit hoch gezogenem Visier im Kampf um den Titel offen heraus. Maßgeblich verantwortlich für das Hochgefühl des FC war in diesen sommerlich warmen Frühlingstagen ein Mann, den die Presse wegen seiner schier unglaublichen Wortgewalt in "Cassius vom Rhein", nach dem großen Muhammed Ali, umgetauft hatte.
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Vulkan Daum nimmt Heynckes ins Visier
Und Christoph Daum wusste damals genau, was er tat. Er hatte sich seine gezielten Attacken auf den FC Bayern bei seinem ehemaligen Sportdirektor, dem erfolgreichsten Bundesligatrainer aller Zeiten, Udo Lattek, abgeschaut. "Ich war ein Vulkan", hat Daum einmal selbst über diese verrückte Zeit, als er fast täglich ganz allein die Fußball-Schlagzeilen des Landes bestimmte, gesagt. Und er wusste, wen er attackieren musste. Sein Opfer hieß Jupp Heynckes.
Und Daums Plan ging auf. Seine krawalligen Sprüche konnte der damalige Jupp Heynckes noch nicht kontern. Doch der ehrgeizige und vorlaute Trainer des 1. FC Köln hatte natürlich nicht nur den Münchener Coach mit seinen verbalen Angriffen gereizt, sondern den gesamten FC Bayern – und dort vor allem einen: Uli Hoeneß. Und das sollte sich rächen - vor einem Millionenpublikum am Samstagabend live im Aktuellen Sportstudio des ZDF.
Doch was die wenigsten Fußballfans wissen: Bevor es am 20. Mai 1989 zu diesem unvergesslichen, wildesten Gaga-Interview in der Geschichte der Bundesliga kam, waren die beiden Alphatiere Daum und Hoeneß schon einmal im TV direkt aufeinander getroffen.
Eskalation mit Vorgeschichte
Nur wenige Wochen zuvor hatten die beiden zusammen in einer Sendung von Waldemar Hartmann im bayerischen Fernsehen gesessen und sich duelliert. An diesem Abend hatte Hoeneß im verbalen Schlagabtausch mit Daum nicht so gut ausgesehen - was ihn verständlicherweise wurmte und reizte.
Doch nach der Sendung schienen die beiden Widersacher ihr Kriegsbeil erst einmal begraben zu haben. Gemeinsam hatten sie bis tief in die Nacht in Waldis legendärer Kneipe "Zeitlupe" zusammengestanden und vor allem eine Sache aus der Welt geschafft: Den Satz über die wenig durchbluteten "Hirnwindungen" von Heynckes wollte Daum, so schwor er Hoeneß an der Theke, nie gesagt haben.
Und der Bayern-Manager erweckte in dieser Nacht bei der Verabschiedung den Eindruck, er würde dem FC-Trainer Glauben schenken. Ein irrer Fehlglaube - wie sich recht bald zeigen sollte. (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga)
Denn als es wenige Tage vor dem Spitzenspiel des Herausforderers, dem 1. FC Köln, zu Hause im Müngersdorfer Stadion gegen den Tabellenführer, den FC Bayern München, im Aktuellen Sportstudio auf dem Mainzer Lerchenberg zum erneuten Rededuell zwischen Daum und Hoeneß kam – da eskalierte die Lage. Und zwar genau wegen dieses einen Satzes, über den der FC-Trainer Daum noch zuvor gemeint hatte, er hätte ihn nie gesagt. Doch Hoeneß hatte an diesem Abend ein Ass im Ärmel. Und das ließ er dort anfangs auch erst einmal noch.
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Denn zuerst fragte er Christoph Daum danach, ob er über den Bayern-Trainer, der ebenfalls wie Udo Lattek mit in der Runde saß, gemeint habe: "Jeder Wetterbericht ist aussagekräftiger als ein Gespräch mit Heynckes" und "Heynckes könnte auch Werbung für Schlaftabletten machen".
Der Kölner Coach bestätigte in beiden Fällen, dass er dies tatsächlich so geäußert habe und fügte noch hinzu, dass er auch folgenden Satz - den man etwas sacken lassen muss - so gesagt habe: "Die Münchner Journalisten haben mich nach dem Unterschied zwischen Heynckes und einem großen Trainer gefragt." Mittlerweile klatschte und johlte das begeisterte Saal-Publikum des Sportstudios. Die Zuschauer wippten in voller Vorfreude auf das, was da noch kommen würde an diesem zügellosen, wilden Abend, unruhig auf ihren Plätzen hin und her.
Hoeneß bringt Daum aus der Fassung
Und dann zog Uli Hoeneß schließlich mit sichtbarem Genuss sein Ass aus dem Ärmel. Für den Satz über die wenig durchbluteten "Hirnwindungen" von Jupp Heynckes, den Christoph Daum so nie gesagt haben wollte, hatte der Bayern-Manager vom Journalisten, der ihn öffentlich gemacht hatte, die Zusicherung, dass er auch vor Gericht eidesstattlich erklären würde, dass dieser genau so gefallen sei. (Die Tabelle der Bundesliga)
Es war der Moment, als die Situation außer Kontrolle geriet und der TV-Abend endgültig in die Geschichte des deutschen Fußballs einging. Denn die "linke Tour" (Daum über Hoeneß) konnte der FC-Trainer nicht akzeptieren. Und so wurde aus einem medialen Showkampf innerhalb eines Bruchteils von Sekunden die größte Feindschaft der Bundesliga für viele Jahre.
Das wilde Gaga-Interview des 20. Mai 1989 sollte noch lange und sehr intensiv nachwirken. Und vergessen wird es wohl nie werden. Auch wenn sich der FC Bayern München und der 1. FC Köln tabellarisch danach nur noch sehr selten einmal so nahe kamen.
Ben Redelings wurde 1975 im Flutlichtschatten des Bochumer Ruhrstadions geboren und ist Experte für die unterhaltsamen Momente des Fußballs. Sein aktueller Bestseller "Das neue Buch der Fußballsprüche" verkauft sich sprichwörtlich wie das gut gekühlte Stadionbier. Als SPORT1-Kolumnist schreibt Ben regelmäßig über die "Legenden des Fußballs" und "Best of Bundesliga".
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