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Brücken-Einweihung in Genua: "Wiedergeburt" nach der Katastrophe - tagesschau.de

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43 Tote, Hunderte Verletzte: Vor zwei Jahren stürzte in Genua die "Ponte Morandi" ein. Italien war geschockt. In Rekordzeit entstand eine neue Brücke. Doch richtig feiern mag niemand.

Von Maximilian Sippenauer, ARD-Studio Rom

Genua, Mitte Juli. Wie eine zarte Linie führt die neue, gut 1000 Meter lange Brücke über die Häuserschluchten des Polcevera-Tals. Während oben auf der Brücke letzte Arbeiten laufen, pflanzen unten im Schatten des Viadukts Arbeiter Bäume für einen Gedenkpark. Denn genau hier, zwischen den zwei 40 Meter hohen Betonpfeilern Nummer zwölf und Nummer dreizehn, war die alte Brücke zusammengebrochen. Dort wartet Giorgio Robbiano.

Am Tag des Unglücks war er mit seinem Bruder zum Essen verabredet. Doch der stürzte mit seiner Frau und dem achtjährigen Sohn mit dem Auto in den Tod. Für Robbiano ist es das erste Mal, dass er den Ort betritt: "Als ich die Nachricht bekam, warteten wir gerade auf ihn, er war später dran als normal. Dann schickte mir ein Freund Bilder von der eingestürzten Brücke. Mir war sofort klar, die sind da dabei." Es falle ihm schwer, hier zu stehen: "Das trifft mich sehr, weil der Ort mich an den Tod erinnert."

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Einsturz von Autobahnbrücke in Genua (August 2018)

Blick auf die Autobahnbrücke Ponte Morandi in Genua, die am 14. August einstürzte. Dabei kamen viele Menschen ums Leben. | Bildquelle: PAOLA PIRRERA/ AFP

Für jedes der 43 Opfer wird im Gedenkpark nun ein Baum gepflanzt. 43 unterschiedliche, verschieden wie die Opfer aus aller Welt. Robbiano soll gleich drei Bäume für seine toten Verwandten auswählen. Als Andenken und Mahnmal für eine der unnötigsten Katastrophen in der jüngeren Geschichte Italiens.

Kurz nach dem Unglück kam heraus, dass die Betreiber wohl jahrelang Hinweise auf eine Einsturzgefahr ignoriert hatten. Das Unglück gilt deshalb vielen als ein Sinnbild für das, was in Italien schiefläuft. Nun soll alles besser werden. 

Für den Wiederaufbau der Autobahnbrücke rief die Politik die Parole "Wiedergeburt" aus. Als Zeichen des Aufbruchs: an das Land und die ganze Welt. Dafür schufteten hier im Schichtbetrieb gut 1000 Arbeiter, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche - selbst als während Corona alle anderen Baustellen im Land stillstanden.

Rekord-Aufbau in nur zehn Monaten

Nur zehn Monate dauerte der Wiederaufbau: Das ist ein Rekord. Koordiniert hat diesen Marathon Bauleiter Stefano Mosconi: "Es gab keine Feiertage. Wir haben auch zu Weihnachten und Ostern gearbeitet. Das war Wahnsinn, aber wir haben alle beschlossen, dieses Jahr ist 'Brückenjahr'."

Nun, am Ende dieses "Brückenjahres", sagt Mosconi, er sei wahnsinnig erschöpft, aber auch stolz. Besonders auf die strahlend weiße, leicht gewölbte Unterseite der Brücke. Entworfen hat sie Star-Architekt Renzo Piano. Sie soll an den simplen Rumpf eines genuesischen Fischerbootes erinnern und damit an ehrliche, vertrauenswürdige Arbeit. "Es ist eine besondere Ehre gewesen an diesem Wiederaufbau mitgearbeitet zu haben", sagt Mosconi.

Aber feiern möchten er und seine Kollegen hier an der Brücke nicht, weil es zu Missverständnissen führen könnte: "Klar, wir haben etwas Tolles gemacht, aber zuerst ist etwas ganz Schlimmes passiert."

Selbst jetzt, kurz vor der Einweihung, ist das Land uneins in der Frage, ob Italien wirklich an dieser Tragödie gewachsen ist. Noch immer fehlt ein Urteil gegen die Schuldigen. Die Konzessionsvergabe löste zwischenzeitlich eine veritable Regierungskrise aus.

Dennoch schwärmen viele vom "Modell Genua". Hier zeige sich, dass man noch in der Lage sei, Großprojekte zu stemmen. Weniger Bürokratie, mehr Verantwortung bei einzelnen Personen - im Fall der Genua-Brücke lag die vor allem bei Genuas Bürgermeister Marco Bucci: "In schwierigen Situationen krempeln hier alle die Ärmel hoch und arbeiten zusammen." Das Arbeitsklima habe schlussendlich auch entsprechende Ergebnisse geliefert. Doch das müsse der Normalfall sein, nicht der Ausnahme, sagt Bucci.

Schlichte Zeremonie statt Staatsakt

Heute wird die "San Giorgio"-Brücke eingeweiht. Ursprünglich war ein pompöser Staatsakt geplant, nun soll es eine schlichte Zeremonie werden. Aus Respekt gegenüber den Opfern. Giorgio Robbiano will sich noch nicht für Bäume an der Gedenkstätte entscheiden: "Mir gefällt die Idee, aber ich bin noch nicht so weit. Mir fehlt die Ruhe, um zu sagen - okay, das ist der Baum für Samuele, für Roberto, für Ersilia, für meine Lieben."

Von "Wiedergeburt" will er nicht sprechen. Denn verarbeitet ist das Trauma in Genua noch längst nicht. Ein Vorbild sei die neue Brücke ohnehin nur dann, wenn es keine Katastrophe braucht, damit das Land über sich hinauswachse.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 03. August 2020 um 08:30 Uhr.




August 03, 2020 at 06:04AM
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