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Mittelmaß-Jammer in Manchester: Warum Rangnick bei United nur scheitern konnte - n-tv NACHRICHTEN

Im Dezember wird Ralf Rangnick als großer Heilsbringer zu Manchester United geholt. Doch die Erwartungen des Premier-League-Klubs kann der 63-Jährige bis heute nicht erfüllen. Die Schuld ist aber nicht nur beim deutschen Trainer zu suchen.

Ein mageres 1:1 sprang am Samstagabend gegen Leicester City heraus. Manchester United war sogar auf die Hilfe des Video-Assistenten angewiesen, um eine komplette Schmach vor heimischer Kulisse zu vermeiden. Was vor ein paar Jahren noch die Gazetten in England gefüllt hätte, ist mittlerweile zur Normalität geworden. Das stolze United liefert regelmäßig unterdurchschnittliche Leistungen ab, unabhängig davon, wer als Trainer an der Seitenlinie steht. Eigentlich sollte Ralf Rangnick den großen Umbruch einleiten. Als Interimslösung nach verkorksten Monaten unter Ole Gunnar Solskjaer wurde er verpflichtet, verbunden mit der Hoffnung, dass der konzeptionelle Denker der teuren Mannschaft eine Identität geben könnte.

Obwohl Rangnick zuvor fast zehn Jahre lang nur unregelmäßig als Trainer gearbeitet hatte, eilte dem Schwaben ein ausgezeichneter Ruf in England voraus. Er galt als der Vordenker des intensiven Red-Bull-Fußballs, den RB Leipzig sowie der FC Salzburg praktizieren. Er galt als Spezialist für Pressing und Umschaltfußball, mit dem Liverpool-Trainer Jürgen Klopp ebenso berühmt geworden ist. Rangnick galt zudem als geistiger Ziehvater von Klopp, Chelsea-Coach Thomas Tuchel und vielen anderen Trainern. Aber die Aura des 63-Jährigen verging so schnell wie ein Platzregen in Nordengland.

Die Sehnsucht nach "Fergie-Land"

Aktuell steht United mit 51 Punkten auf Rang sieben der Premier-League-Tabelle. Selbst die Qualifikation für die international nur zweitklassige Europa League ist in Gefahr. Eigentlich geht es nur noch darum, eine ganz große Schmach abzuwenden. Die wenigsten Liga-Punkte erzielte United im ersten Jahr nach Sir Alex Ferguson in der Saison 2013/14 - es waren 64 Zähler. Diese Marke sollten die "Red Devils" überschreiten, ansonsten wird die aktuelle Spielzeit auf ihre Weise sogar noch historisch.

Natürlich geht der Blick ob der Misserfolge - etwa dem großen Rückstand auf die Spitzenklubs in der Liga oder auch das frühe Ausscheiden aus der Champions League - regelmäßig zu Rangnick. Die Vorschusslorbeeren waren groß, umso größer ist nun die Enttäuschung, dass auch der Deutsche die Wende nicht einleiten konnte. Aber Kritiker sagen auch, dass das Rangnick-Intermezzo womöglich der letzte Beweis dafür ist, dass es bei United nur bedingt am Trainer liegt. Der Kolumnist Barney Ronay schrieb treffend im "The Guardian": "Es gibt Anzeichen einer Obsession mit der Vergangenheit, mit dem großartigen verlorengegangenen Fergie-Land. Klubs werden nicht mehr nur von einer einzelnen Persönlichkeit geführt. Erfolg kommt durch Strategie, Klarheit, die Verknüpfung unternehmerischer Ebenen."

Auf was Ronay hindeutet: United genoss Jahrzehnte voller Erfolg und Relevanz unter Alex Ferguson, einem allmächtigen Trainer. Aber das Modell des singulären Entscheiders ist eventuell mit dem Rücktritt des großen Schotten zumindest in Manchester ausgestorben. Selbst Erfolgsgarant Klopp hat in Liverpool eine Armada von Experten unter sich arbeiten.

Rangnick wird nachgiebig

Die Orientierungs- und Richtungslosigkeit bei United hat etwa dazu geführt, dass die Mannschaft selbst eine Art Eigenleben entwickelt. Auch der eigentlich so autoritäre Rangnick konnte sich gegen Widerstände nie wirklich durchsetzen. Schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit wurde deutlich, dass die Offensivstars rund um Cristiano Ronaldo allenfalls lustlos die Anweisungen des Deutschen befolgten. Rangnick, der einst die zentrale Figur auf Schalke, in Hoffenheim oder auch in Leipzig war, genoss schlicht keinen Führungsstatus in den Augen von Manchesters hochbezahlten Top-Spielern.

Dies schlug sich auch konkret in der spielerischen Ausrichtung der Mannschaft nieder. Rangnick agierte in den ersten Wochen ambitioniert und wollte United die bekannte Pressing-Medizin verabreichen. Er ließ das Team anfangs im 4-2-2-2 spielen, also in jener Formation, mit der er auch schon bei RB Leipzig Erfolge durfte. Vorn sollten die vier Offensivkräfte die Räume eng machen und mit Tempo die Gegenspieler anlaufen, wenn sich diese in Ballbesitz befanden. Aber weder gab es Automatismen, noch brachten die United-Angreifer die notwendige Intensität ins Spiel. Gerade Superstar Cristiano Ronaldo wirkte wie ein Fremdkörper in diesem Pressingsystem. In der portugiesischen Nationalmannschaft etwa betätigt sich der 37-Jährige auch vornehmlich als Traber, der nur noch in ausgewählten Spielmomenten seine Explosivität zeigt.

Anders als noch bei früheren Karrierestationen schien Rangnick aber nicht auf Gedeih und Verderb seine Vorstellungen durchboxen zu wollen. Stattdessen passte er sein System an die Spieler, ließ etwa den Ex-Dortmunder Jadon Sancho wieder vermehrt auf dem Flügel statt in den Halbräumen spielen und schob den portugiesischen Kreativgeist Bruno Fernandes von der Seite zurück auf die zentrale Zehnerposition. Mittlerweile spielt United in einem standardmäßigen 4-2-3-1.

Und dementsprechend wirkt auch der Fußball: wie biedere Hausmannskost. Dem Team fehlt trotz der starken Individualisten das besondere Etwas. Das Passspiel bietet keinerlei Überraschungen, das Anlaufen gegen den Ball erfolgt fast immer mit Halbgas. Weder in der Spielgestaltung noch in der Defensivarbeit besticht United. Das ist in der Premier League, in der viele Mannschaften einen ganz eigenen Stil verfolgen, schon fast wieder ein Alleinstellungsmerkmal, nützt jedoch wenig, wenn man eigentlich um die Meisterschaft mitspielen möchte. Im Vergleich zu den Top-Teams Manchester City, Liverpool und Chelsea ist United extrem farblos.

Suche nach dem nächsten Heilsbringer

Da Rangnick ohnehin nur als Interimslösung geholt wurde, war der Deutsche wohl schon von Beginn an eine "Lame Duck", dem die nötige Autorität in der Kabine fehlte, weil im Sommer ohnehin ein neuer Trainer das Amt übernehmen würde. Ob Rangnick, wie ursprünglich geplant, ab Juli eine tragende Rolle als sportlicher Berater einnimmt, steht aktuell auch in den Sternen. Eventuell läuft es nur auf einen Halbtagsjob hinaus. Aber die Diskussionen im und um den Verein drehen sich momentan sowieso schon um den möglichen Nachfolger Rangnicks.

Zuletzt wurde mit möglichen Kandidaten gesprochen. Als Favorit auf den Posten gilt der Niederländer Erik ten Hag, der in den vergangenen Jahren erfrischenden Offensivfußball mit Ajax spielen ließ. Aber dass ten Hag, ebenso wie der zweite Top-Kandidat Mauricio Pochettino, nun wieder in aller Munde ist, lässt auf ein weiteres Problem von United schließen. Der Klub sucht seit Jahren die Lösung stets im Neuen. Läuft es sportlich nicht, wird auf den nächsten Top-Transfer gehofft. Doch im vergangenen Sommer kamen mit Sancho, Ronaldo sowie dem französischen Verteidiger Raphael Varane drei namhafte und teure Spieler nach Manchester. Geändert hat es an der sportlichen Misere nichts.

Nun soll wieder ein neuer Trainer-Besen besser kehren als die vormaligen. Das alte Denkmuster, wonach eine einzelne Persönlichkeit den großen Verein wieder auf Kurs bringen könnte, steckt weiterhin in den Köpfen von United-Entscheidern und United-Fans. An diesem Anspruch ist auf gewisse Weise auch Rangnick gescheitert.

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