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Nationalmannschaft vor der WM: DFB-Team - Mittelfeld der Möglichkeiten - Sportschau

analyse

Stand: 27.09.2022 18:12 Uhr

Das Mittelfeld ist das Prunkstück der deutschen Nationalmannschaft, auch wenn einige Spieler derzeit mit ihrer Form kämpfen. Personell als auch taktisch bieten sich viele Möglichkeiten.

Von Marcus Bark, London

Die Frage, welcher Spieler die meisten Startelfeinsätze in den bisherigen 15 Partien unter Bundestrainer Hansi Flick hatte, dürfte in einem Fußballquiz erst gestellt werden, wenn sich die Spreu vom Weizen schon getrennt hat.

Es ist nicht Thomas Müller, auch nicht Joshua Kimmich. Es ist Thilo Kehrer. Der Profi von West Ham United erlebte den Anpfiff bei 13 Einsätzen zwölfmal auf dem Platz. Kehrer ist eine feste Größe, das geben die Zahlen eindeutig her.

Eher Verlegenheit denn Flexibilität

Zuletzt kam der ehemalige Schalker unter Flick als Rechtsverteidiger zum Einsatz, davor auch als Innenverteidiger und links in der Kette. Das ist einerseits ein Zeichen für Flexibilität, andererseits - aus Sicht des Bundestrainers - eines für Verlegenheit. Ob nun Kandidat A links verteidigt und B rechts, oder C und D die Seiten tauschen, das sinkt oder hebt die Qualität in Nuancen, das zeigten die vergangenen Jahre, als etwa Nico Schulz, Ridle Baku, Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg die Kandidaten waren.

Das Phänomen der gleichbleibenden Qualität findet sich auch im Mittelfeld wieder, ob defensiv oder offensiv, allerdings auf höherem Niveau. Dieser Mannschaftsteil ist der nominell stärkste, im Mittelfeld hat der Bundestrainer mit Blick auf die Weltmeisterschaft die meisten Optionen.

Viele Optionen

Er kann überlegen, ob er Kimmich als einzigen "Sechser" im Zentrum vor der Viererkette einsetzt, er kann ihm auch İlkay Gündoğan an die Seite stellen wie am Montag (26.09.2022) beim 3:3 in England, es kann aber auch Leon Goretzka sein, der die Partie in London wegen einer Corona-Infektion verpasste. Möglich ist auch, Jamal Musiala als freischaffenden "Sechser/Achter/Zehner" aufzubieten. Dass der 19 Jahre alte Profi des FC Bayern das Spiel der Nationalmannschaft belebt, bewies er im Wembley-Stadion.

"Dann haben wir mehr Platz"

Es waren nicht nur seine enge Ballführung, die flinken Haken und temporeichen Dribblings, mit denen er gegen das Land überzeugte, für das er in Jugendauswahlmannschaften spielte. Musiala gewann sowohl vor dem 1:0 als auch dem 2:0 den Ball. "Jamal hat gezeigt, warum er ein außergewöhnliches Talent ist. Er ist defensiv und offensiv ein Spieler, der uns sehr guttut", schwärmte Flick, "er kann dem Gegner Probleme bereiten und solche Situationen wie den Elfmeter (zum 1:0 von Gündoğan verwandelt, Anm. d. Red.) rausholen. Er spielt ein, zwei Gegner aus, dann haben wir mehr Platz."

Die deutsche Nationalmannschaft zeigt beim 3:3 in England ein Spiel, nach dem Bundestrainer Hansi Flick der Kopf brummen dürfte.

Einschränkend hätte der Bundestrainer allerdings anmerken können, dass sich erst in der zweiten Halbzeit "mehr Platz" bot. Vor der Pause war das deutsche Spiel fehlerhafter, statischer. Das Mittelfeld, speziell auch Musiala, fand keine Lösung, um den zentralen Angreifer Kai Havertz und die offensiven, schnellen Nebenleute Leroy Sané und Jonas Hofmann einzusetzen.

Eines der schwächeren Spiele von Kimmich

Recht ratlos suchte auch Kimmich Wege, um Chancen herauszuspielen. Das 70. Länderspiel des Münchners gehörte zu seinen schwächeren. Die schwierige Situation beim FC Bayern könnte dazu beigetragen haben, genau wie bei Sané und Serge Gnabry, die ebenfalls unter ihren Möglichkeiten blieben.

Viel Ballbesitz, oft wenig Tore

Ein hausgemachtes Problem bestand aber auch in der Spielanlage. Wie unter Joachim Löw ist die deutsche Nationalmannschaft auch unter Flick auf Dominanz aus, also hohe Ballbesitzwerte. In England war die Auswahl des DFB zu 58 Prozent in Ballbesitz. Das war der geringste Wert in allen Spielen der Nations League.

In den anderen Partien waren es zwischen 60 Prozent (1:1 im Heimspiel gegen England) und 66 Prozent (0:1 im Heimspiel gegen Ungarn). Dabei sprang lediglich ein Sieg gegen ein ersatzgeschwächtes Italien heraus (5:2), in den anderen vier Partien vor dem Duell in England wurde maximal ein Treffer erzielt.

Flicks Ziel ist es, dass seine Mannschaft weit vorne den Ball gewinnt, damit der Weg zum gegnerischen Tor danach kürzer ist. Beim 2:0 in Wembley, erzielt durch den perfekten Schuss von Kai Havertz, zeigte sich aber, dass auch ein weiterer Weg zum Erfolg führen kann. Es ging sehr zügig und mit vielen Spielern durch das Mittelfeld gegen eine Mannschaft, die in ihrer ansonsten massiven Defensive eines 3-4-3-Systems nicht geordnet war.

Dem Gegner den Ball ruhig mal zu überlassen, das Zentrum zu verdichten, um dann zu kontern, ist weit eher ein Zeichen von Flexibilität denn Verlegenheit. Das Personal gibt die verschiedenen Taktiken während eines Spiels her, auch und gerade im Mittelfeld.

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