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Kim Kardashian und Kanye West: Warum die Trennung absehbar war - WELT

Natürlich ist es naheliegend, die offenbar bevorstehende Trennung von Kanye West und Kim Kardashian als irrelevant abzutun, als Breaking News über anscheinend ärgerliche Menschen, die sich durch bizarres Verhalten oder durch Nutzlosigkeit hervorgetan haben. Das geht aber eigentlich nur, wenn man die letzten zwanzig Jahre im popkulturfreien Vakuum verbracht hat. Tatsächlich ist diese Meldung, vorerst sind es nur plausible Gerüchte, kulturell, psychologisch und gesellschaftlich viel wichtiger, als es etwa die seriellen Trennungen von Liz Taylor gewesen sind – oder das Zerwürfnis von Diana und Charles.

Kurz zu den Fakten: Kanye Omari West, 43, ist ein Popstar und Musikproduzent, der mit einigen der größten Stars der Welt gearbeitet, die musikalische Leitkultur Hip-Hop und R&B geprägt und verändert und maßgeblich daran mitgewirkt hat, dass modische Turnschuhe (also eher für den Club als für den Trimm-dich-Pfad) zu einer Milliardenindustrie geworden sind. Seine Zusammenarbeit mit Adidas war überlebenswichtig für den ständig Nike hinterherhechelnden Konzern. West leidet nach eigener Aussage an einer bipolaren Störung.

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Kim Kardashian, 40, entstammt einem komplexen, mehrfach gepatchworkten Familienclan in Los Angeles, zu der unter anderem zähl(t)en: Prominentenanwalt Robert Kardashian, der O. J. Simpson in einem Jahrhundertprozess vertrat, Caitlyn Jenner (früher Bruce), 71, Goldmedaille im Zehnkampf der Herren bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal, die sich 2015 als Transfrau outete, Kylie Jenner, die mit ihrer Kosmetiklinie zur jüngsten Milliardärin der Welt wurde (oder zumindest fast, darüber streiten die Experten). Kim Kardashian selbst wurde durch die seit 2007 laufende TV-Serie „Keeping up with the Kardashians“ berühmt, betreibt diverse Lifestyle- und Modemarken (von Kimojis, also personalisierten Emoticons, bis zu Shapewear), hat fast 200 Millionen Follower auf Instagram. Für ihre Gastauftritte in Filmen wurde sie bereits zweimal für die Goldene Himbeere als schlechteste Nebendarstellerin nominiert. Die TV-Show ihres Clans wird dieses Jahr eingestellt, doch ein mehrjähriger Exklusivvertrag mit dem Disney-Streaming-Dienst Hulu beziehungsweise dessen internationalem Ableger Star soll schon unterschrieben sein.

In den bisher sieben Jahre ihrer Ehe war so viel los, dass sie sich eher wie siebzig anfühlen
In den bisher sieben Jahre ihrer Ehe war so viel los, dass sie sich eher wie siebzig anfühlen
Quelle: Mario Testino/Vogue

Die beiden haben 2014 in Florenz geheiratet, wobei die gut dokumentierten Vorbereitungen inklusive des Fittings des Brautkleides von Givenchy in Paris stattfinden mussten, und gemeinsam vier Kinder (die zwei jüngeren wurden von einer Leihmutter ausgetragen), deren Namen eine gewisse Vorliebe für platte Witze offenbaren: North, Chicago, Saint und Psalm.

Die Krise als Normalzustand

Zwei solche Aufmerksamkeitssupermächte potenzieren sich im Doppelpack: Gegen die zeitweise allgegenwärtigen und unvermeidbaren Kim und Kanye wirken im Rückblick Angelina Jolie und Brad Pitt wie medienscheue Großeltern vom Lande. Jetzt steht das Paar offenbar vor der Trennung. Bestätigt oder dementiert wurde von den Betroffenen noch gar nichts, was bei Menschen, die regelmäßig ihr gesamtes Leben in den sozialen Medien ausbreiten, fast ein kleiner Schock ist. Die Gerüchte reichen von Staranwälten, die Kardashian schon in Vorbereitung des Sorgerechtkriegs konsultiert haben soll, bis zur angeblichen Affäre von West mit dem Make-up-Star Jeffree Star.

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Frappierend ist daran irgendwie gar nichts, denn die Krise ist seit Jahren Normalzustand bei diesem Celebrity-Doppelwhopper, der von Boulevardpresse und Fans „Kimye“ getauft wurde. In den bisher sieben Jahre ihrer Ehe war so viel los, dass sie sich eher wie siebzig anfühlen. Bei einem Besuch der Paris Fashion Week wurde Kim Kardashian in ihrem Hotelzimmer überfallen, gefesselt und geknebelt und um Schmuck im Wert von rund sechs Millionen Euro gebracht. Darunter war ein Diamantring, den sie kurz zuvor von ihrem Ehemann geschenkt bekommen und ausführlich auf Instagram vorgeführt hatte. Kanye West wiederum erlitt auf einer Tournee einen Nervenzusammenbruch, plapperte wirres Zeug auf der Bühne und ließ sich in ein Krankenhaus einweisen. Später schockierte er seine Fans, indem er sich ostentativ zum neu gewählten Präsidenten Donald Trump bekannte und diesen im Weißen Haus besuchte. Seine Frau wiederum warb beim Präsidenten für Gefängnisreformen.

Bestätigt oder dementiert wurden die Trennungsgerüchte von den Betroffenen noch nicht – was bei Menschen, die regelmäßig ihr gesamtes Leben in den sozialen Medien ausbreiten, fast ein kleiner Schock ist
Bestätigt oder dementiert wurden die Trennungsgerüchte von den Betroffenen noch nicht – was bei Menschen, die regelmäßig ihr gesamtes Leben in den sozialen Medien ausbreiten, fast ...ein kleiner Schock ist
Quelle: Getty Images

Kanye Wests Verbrüderung mit Trump, der den Rassismus eines Teils der Trump-Anhänger in Kauf nahm und bediente, schien vor allem überraschend, weil der Rapper sich in der Vergangenheit anders geäußert hatte. „Präsident Bush sind schwarze Menschen egal“, klagte er, als 2005 die Hilfe für die Hurrikan-Katrina-Opfer in Louisiana schmerzhaft langsam in Gang kam. Dem Country-Popstar Taylor Swift wollte er bei einer Preisverleihung fast die Trophäe entreißen, weil Beyoncé Knowles sie seiner Ansicht nach verdient hatte.

Tatsächlich aber ist genau das Teil seines Genies. Und seines Problems. Ob es nun seine Psyche ist oder seine künstlerische Wahrnehmung: West hat ein wahnsinniges Gespür für Themen und Timing, aber auch eine vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber der Tatsache, dass er sich oder andere mit seinen Äußerungen verletzt. Mehr noch – er braucht die Kontroverse und das Anecken. Als er seine Modelinie Yeezy auf den Markt brachte, wurde er weitgehend belächelt und als Nichtdesigner abgetan. Im Rückblick muss man sagen: Er hat das Spektrum von Streetwear um die Mönchskutte erweitert. Seine erdigen Farben und überweiten Schnitte haben die Modewelt verändert. Historisch ist das weniger krude, als man denkt: Neben dem Sportplatz war der Gospelchor eine der wenigen Schauplätze des sozialen Aufstiegs, der Schwarzen offenstand.

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Als West letzten Sommer ankündigte, für die Präsidentschaft kandidieren zu wollen, tat er dies mit einer Schutzweste und erklärte bei seinem ersten öffentlichen Auftritt, dass Kim Kardashian ihre erste Tochter habe abtreiben wollen. Sie konterte öffentlich mit dem Hinweis, dass man die Äußerungen von kranken Menschen nicht ernst nehmen dürfe.

Ihr Selfie-Buch ist ein Zeitzeugnis

Kim Kardashians Karriere in der Öffentlichkeit begann als Assistentin von Paris Hilton. Sie hat die letzten 20 Jahre praktisch nichts getan, was nicht von Kameras dokumentiert wurde. Ihr Selfie-Buch „Selfish“ (dt: Selbstsüchtig) gilt als Zeitzeugnis eines Menschenschlags, deren Existenz sich aus ihrer Präsenz im digitalen Raum begründet. Die Standardkritik an ihr ist, dass sie nur fürs „Berühmtsein“ berühmt sei. Tatsächlich hat sie neu definiert, wie Prominenz funktioniert. Und ob man sich von einem Gitarrensolo auf der Konzertbühne unterhalten fühlt oder von einer Anleitung für ein die Wangenknochen unterstreichendes Make-up auf Instagram, ist keine Frage des Niveaus, sondern von Präferenzen und Zeitgeist. Außerdem hat Kardashian mit ihrem ausladenden Hintern und ihren vage orientalischen Zügen alternative Schönheitsideale ins Zentrum gerückt. All das war nur möglich, weil sie und ihre Mutter Chris Jenner – im Clan Momager genannt – sich stets um die Kontrolle über Bilder und Botschaften bemühten.

Kanye West aber ist nicht kontrollierbar. Da helfen auch seine etwas spinnerten, selbst gemachten Sonntagsgottesdienste nicht. Als Popstar auf der Höhe seines Ruhms hat er die glanzverliebte Kim sicher fasziniert, als Patient dürfte sein Zauber verblassen, als Verbündeter verliert er an Wert. Was genau zwischen den beiden geschieht, dürfte man in den nächsten Wochen erfahren (oder einen Teil davon). Aber klar ist: Nichts, auch nicht der künftige Ex-Mann, darf die perfekte Entertainment-Maschine der Kardashians aufhalten.

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Quelle: Welt am Sonntag

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