Für Mark läuft jeder Tag gleich. Nicht, weil eine weltweite Pandemie seinen Alltag lahmgelegt hat. Und er sich in seinem Jugendzimmer immer wieder bloß von Bildschirm zu Bildschirm hangelt. Sondern, weil Mark (Kyle Allen) in einer Zeitschleife festhängt, also in einer echten.
Wenn er morgens aufsteht, passieren stets dieselben Dinge: Sein Vater sinniert über einem Sudoku-Rätsel, seine Schwester verliert ihr Fußballspiel, eine Frau tippt die gleichen falschen Zahlen beim Lotto, abends gewittert es. Das alles hat sich schon so oft wiederholt, dass sich der Teenager durch diesen Tag bewegt, als tanze er mit geschlossenen Augen durch die Choreografie einer Kleinstadttristesse. Aber wie das mit Monotonie häufig ist: Sie wird durchbrochen, wenn man gar nicht mehr damit rechnet.
Denn plötzlich tritt Margaret (Kathryn Newton) in seinen vorprogrammierten Tag und bringt alles aus dem Takt, vor allem Mark. Margaret, das stellt man ziemlich schnell fest, hängt in der gleichen Zeitschleife. Die beiden werden zu Komplizen in diesem Perpetuum Mobile eines Sommertages.
Feinfühlig und klug
Allerdings: Auch Zerstörungsorgien, Burgerwettessen und Lottogewinne werden irgendwann langweilig. Also beschließen sie, alle kleinen, perfekten Momente dieses Tages festzuhalten: Ein Handwerker spielt selbstvergessen Klavier, ein altes Liebespaar tanzt auf der Veranda, ein Schulmädchen besteht einen Stunt auf ihrem Skateboard.
Und weil Ian Samuels »The Map of Tiny Perfect Things« eine romantische Komödie ist, endet die Schnitzeljagd nach den schönen, aber häufig vergessenen Schätzen des Alltags darin, dass sich die beiden, klar, ineinander verlieben. Zumindest Mark. Bei Margaret ist das etwas komplizierter.
Dass es Ian Samuels gelingt, das Teenagerdasein feinfühlig und klug einzufangen und Geschichten abseits der tausendfach inszenierten Highschool-Elegien zu finden, hat er bereits mit der Coming-of-Age-Komödie »Sierra Burgess is a Loser« auf Netflix bewiesen. Auch in seiner neuen Tragikomödie, die nun bei Amazon Prime Video zu sehen ist, filmt er – ein Glück – nicht etwa Bill Murrays Zeitschleifen-Evergreen »Und täglich grüßt das Murmeltier« nach.
Hier geht es nicht darum, dass ein cooler, erfolgreicher, wenn auch miesepetriger Dude, dem ohnehin die halbe Welt offensteht, auch noch die Zeit anhält. In Samuels Version, die auf einer Kurzgeschichte von Lev Grossman fußt, der auch das Drehbuch und die wirklich schönen Dialoge lieferte, ist nicht mal Mark die Hauptfigur der Geschichte. Dass die Zuschauenden und der Teenager, den Kyle Allen wunderbar zart und hart zugleich spielt, das zeitgleich und eher spät bemerken, ist ein mutiger Kniff.
Um wen und was es in »The Map of Tiny Perfect Things« denn dann geht? Ohne zu viel zu verraten: um Trauer und darum, dass man damit häufig nicht fertig wird. Und um Margaret natürlich und ihre Kraft, die Zeit stillstehen zu lassen, wenn man sich nichts sehnlicher wünscht. Eine Zeitschleife ist nämlich nicht immer eine Haft im Alltag. Wenn man um etwas trauert, ist sie eine Befreiung.
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